Die tierschutzgerechte Zucht und Brut in der Geflügelhaltung verlangt besondere Sorgfalt, Planung und Verantwortungsbewusstsein. Es geht nicht nur darum, Küken zu "produzieren", sondern auch darum, die natürlichen Bedürfnisse, das Wohlbefinden der Elterntiere sowie der Nachkommen zu respektieren. Fehlerhafte oder übermäßige Zucht kann zu gesundheitlichen Problemen, Verhaltensstörungen oder Qualzuchten führen und ist aus Sicht des Tierschutzes unbedingt zu vermeiden.
Grundsätze einer tierschutzgerechten Zucht
Das Zuchtziel sollte nicht auf Extremmerkmale (z. B. übermäßige Legeleistung, riesiges Brustvolumen bei Masthühnern) ausgerichtet sein, sondern auf:
- Gesundheit und Robustheit
- Soziales Verhalten
- Angepasste Leistungsfähigkeit
Extremzuchten können zu Leiden und eingeschränkter Lebensqualität führen - z. B. bei Mastlinien, die in kurzer Zeit stark zunehmen, aber kaum mehr stehen können.
Tiere dürfen nicht zur Fortpflanzung gezwungen werden. Hähne und Hennen sollten nur dann zur Zucht eingesetzt werden, wenn:
- beide gesund und ausgewachsen sind
- keine genetischen Defekte weitervererbt werden
- ausreichend Platz und Betreuung für Nachkommen vorhanden ist

Zuchtauswahl - verantwortungsbewusst und gesundheitsorientiert
Nur Tiere mit einwandfreiem Gesundheitszustand, guten sozialen Eigenschaften und rassetypischem Verhalten sollten zur Zucht eingesetzt werden. Die Auswahl sollte keine Merkmale bevorzugen, die zu Schmerzen, Leiden oder Schäden führen können (Stichwort: Qualzucht).
Bei Inzucht besteht das Risiko von Missbildungen, Immunschwäche und Verhaltensauffälligkeiten - daher sollte genetische Vielfalt angestrebt werden.
Aufzeichnungen über Elternlinien und Verwandtschaftsverhältnisse sind ratsam - insbesondere bei seltenen Rassen.

Brut - natürlich oder künstlich?
Natürliche Glucke (Brut mit Henne)
Die natürliche Glucke ist der tierschutzfreundlichste Weg der Kükenaufzucht. Henne übernimmt das Brüten, Wärmen und Führen der Küken. Küken entwickeln sich sozial und verhaltensbiologisch vollständig. Wichtig dabei: die Henne muss gesund, erfahren und bereit zu brüten sein.
Ein geschützter, ruhiger Platz mit Nest ist notwendig. Die Henne muss während der Brut und Kükenaufzucht besonders gut versorgt werden (mehr Eiweiß, ausreichend Futter in Nestnähe).
Künstliche Brut (mit Brutapparat)
Wird vor allem bei größeren Zuchten oder fehlenden Glucken eingesetzt. Bedingungen müssen exakt gesteuert werden: Temperatur (ca. 37,5 °C) und Luftfeuchtigkeit (50-65 %) müssen konstant gehalten werden. Die Eier müssen regelmäßig gewendet werden (manuell oder automatisch).
Küken brauchen nach dem Schlupf eine künstliche Glucke (Wärmeplatte oder Wärmelampe), bis sie gefiedert sind (ca. 3-5 Wochen).

Hygiene und Gesundheitsvorsorge während Brut und Aufzucht
Brutgeräte müssen vor und nach jeder Brut gründlich gereinigt und desinfiziert werden. Nur frische, saubere und unverletzte Bruteier sollten verwendet werden - verschmutzte Eier erhöhen das Infektionsrisiko.
Während der Brut regelmäßig muss auf Entwicklung (Durchleuchtung) und Verwesung geachtet werden - abgestorbene Eier müssen entfernt werden.
Aufzuchtbereiche müssen trocken, sauber und zugfrei sein. Küken benötigen besonders hohen Hygienestandard, da ihr Immunsystem noch nicht vollständig ausgebildet ist.

Versorgungsanforderungen an Küken
Zugang zu:
- speziellem Kükenfutter mit hohem Eiweißgehalt (20-22 %)
- frischem, lauwarmem Wasser
- Wärmequelle (Wärmeplatte ideal)
- rutschfester Einstreu (kein Zeitungspapier!)
Küken dürfen nicht überhitzt oder unterkühlt werden - sie brauchen konstante Temperaturen um 30-35 °C in der ersten Woche, danach schrittweise absenken. Ausreichend Platz zur Selbstregulation der Temperatur (warmes und kühleres Areal).

Nachzucht - wohin mit den Tieren?
Vor jeder Zucht muss unbedingt überlegt werden: Was geschieht mit den Küken? Können sie artgerecht untergebracht werden? Gibt es Abnehmer oder Interessenten für Junghennen oder Hähne?
Männliche Küken sind besonders oft betroffen von späterer Nichtverwendbarkeit - hier sind alternative Lösungen gefragt (z. B. Mast, Abgabe an Halter).

Rechtlicher Rahmen (Deutschland)
Laut Tierschutzgesetz (§ 11b TierSchG) ist es verboten, Tiere zu züchten, wenn bei der Nachzucht mit erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden zu rechnen ist (Qualzuchtverbot).
"Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten, wenn deren Nachkommen [...] erblich bedingt unter Schmerzen, Leiden oder Schäden [...] leiden."
Zudem gilt:
§ 2 TierSchG: Die Versorgung und Haltung muss dem Wohlbefinden der Tiere entsprechen.
Wer regelmäßig züchtet, braucht ggf. eine Erlaubnis nach § 11 TierSchG - auch Hobbyzüchter können davon betroffen sein, wenn sie häufig oder gewerblich abgeben.
